Die Pfarr- und Stiftskirche St. Martin in Landshut, in der Hauptstadt Niederbayerns, ist eines der großartigsten Bauwerke der bayerischen Gotik. St. Martin
prägt mit ihrem 130,6 m hohen Turm (zusammen mit der
Burg Trausnitz) bis heute die Silhouette der Stadt Landshut.
Das Patrozinium
Martin, 316/317 als Sohn eines heidnischen Militärtribunen in Pannonien geboren, bekehrte sich schon früh zum Christentum. In die Zeit seines 25-jährigen
Dienstes in der römischen Reiterei fällt die berühmte, oft in der Kunst dargestellte Szene, dass Martin am Stadttor von Amiens seinen Mantel mit einem
Bettler teilte. Nach dem Ausscheiden aus der Armee (356) schloß er sich Bischof Hilarius von Portiers als geistlichem Lehrer an, war missionarisch tätig
und führte das Leben eines Eremiten. 361 gründete er in Ligugé (bei Portiers) das erste Kloster Galliens. 371 wurde Martin gegen seinen Willen durch Klerus
und Volk zum Bischof von Tours gewählt. Er widmete sich der Mission der noch weitgehend heidnischen ländlichen Gebiete seiner Diözese und gründete um 375
nahe Tours die Abtei Marmoutier, die sich zu einem Zentrum klösterlicher Kultur entwickelte. Auch als Bischof behielt er seine asketische Lebensweise bei.
Er starb auf einer Seelsorgereise am 8. November 397 in Candes; drei Tage später wurde er in Tours beigesetzt.
Seine asketische Strenge und sein Ruhm als Wundertäter führten zu einer sich rasch ausbreitenden Verehrung. Als einer der ersten Nicht-Martyrer wurde Martin
mit offiziellem kirchlichem Kult gefeiert. Martin war der Nationalheilige des Frankenreiches und wurde Patron zahlreicher Kirchen. Er ist u.a. Schutzheiliger
der Soldaten und Reiter sowie der Bettler und der christlichen Nächstenliebe. Sein Fest am 11. November – vor Anbruch des Winters und der adventlichen
Fastenzeit – war bis ins 19. Jahrhundert Abschluß des Wirtschaftsjahrs und wurde traditionell mit Festessen („Martinsgans“) begangen. Seit Beginn des 20.
Jahrhunderts verbreiteten sich in Deutschland die Martinszüge der Kinder mit Laternen und Liedern, oft verbunden mit einer Kollekte für caritative Zwecke.
Zur Geschichte der Pfarr- und Stiftskirche St. Martin
Das 1204 durch Herzog Ludwig den Kelheimer gegründete Landshut war von 1255 bis 1503 Haupt- und Residenzstadt der niederbayerischen Herzöge. Die aus der
Gründungszeit stammende Kirche St. Martin und Michael war die erste Pfarrkirche; 1369 kam die zweite Pfarrei St. Jodok hinzu. Nachdem sich die Stadt von
dem verheerenden Brand 1343 erholt hatte, begann man Ende des 14. Jahrhunderts mit dem Neubau der Martinskirche, der mit seiner Größe und Pracht auch der
Repräsentation der Herzogsfamilie diente. Herzog Wilhelm V. ließ 1595 das Kollegiatstift
St. Kastulus von Moosburg an die Martinskirche übertragen. Das
Stift wurde in der Säkularisation 1803 aufgelöst, jedoch 1937 durch Papst Pius XI. neu begründet. Seit 2001 trägt St. Martin als Kirche mit herausragender
historischer und seelsorglicher Bedeutung überdies den Ehrentitel einer päpstlichen Basilika.
Zur Baugeschichte der Kirche
Die Erwähnung eines „Meister Hanns, Baumeisters zu St. Martin“ 1389 ist der erste Hinweis auf den gotischen Neubau. Es handelte sich wohl um Meister Hans
Krumenauer; er wurde später durch Hans von Burghausen (+ 1432) abgelöst, dessen Grabmal mit Porträtbüste an der südlichen Außenwand erhalten ist. Ihm folgte
sein Neffe Hans Stethaimer (+ um 1460). Erst um 1500 war der Turm vollendet, der mit 130,6 m als der höchste Ziegelsteinturm der Welt gilt.
Im Verlauf von über 100 Jahren entstand eine dreischiffige Hallenkirche gewaltigen Ausmaßes (Gesamtlänge des Innenraums 92 m; Höhe des Mittelschiffs 28,80
m). Gewagt schlanke Pfeiler tragen das Gewölbe. Der Raum wirkt weit und licht.
Hauptschmuck des Äußeren sind die fünf Portale mit ihrer reichen, farbig gefassten Figurenausstattung.
Die schwierige statische Sanierung des einst auf Eichenpfähle gegründeten Bauwerks dauerte von 1978 bis 1991.
Ausstattung
Die Kirche besitzt eine ganze Reihe hervorragender Ausstattungstücke aus verschiedenen Kunstepochen. Hervorgehoben seien davon die folgenden mittelalterlichen
Werke:
- Der aus Sandstein gemeißelte Hochaltar (um 1425): Obwohl die Flügel seit der Barockzeit fehlen und der Figurenschmuck weitgehend aus dem 19. Jahrhundert
stammt, ist er in seiner Art für Bayern einmalig. Als früher „Tabernakelaltar“ hat er das einst separate Sakramentshäuschen in die Altarmitte integriert.
- Das Chorgestühl, um 1500 aus Eichenholz geschnitzt, ist mit rund 130 Reliefs und Statuetten geziert. Ihre Schöpfer sind nicht sicher benennbar.
- Das monumentale Chorbogen-Kreuz, 1495 fertiggestellt durch den Ulmer Bildschnitzer Michael Erhart, ist mit einer Körperlänge von 5,80 m eines der größten
Kruzifixe der Spätgotik, zugleich ergreifender Ausdruck der Passion Christi.
- Bei der Kanzel trägt der steinerne Korb die Datierung 1422; der hölzerne Schalldeckel ist neugotisch.
- Schließlich schuf um 1518, im Übergang zur Renaissance, der Landshuter Bildschnitzer Hans Leinberger die überlebensgroße Madonna, die heute die Stirnwand
des rechten Seitenschiffs einnimmt. Sie verbindet Majestät und Güte und weist mit dem schwungvollen Faltenwurf ihres Gewandes weit voraus in den Barock.
Quelle:
Erzbistum München
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