Zur Person Metzgers

Um die komplexe Person M.J. Metzgers zu verstehen, muß man sie in ihrer Zeit und in der geistigen Situation unseres Jahrhunderts sehen. In dem neu bekannt gewordenen Dokumentenmaterial der DDR sind uns eine Reihe von "Selbstbekenntnissen" Metzgers überliefert worden, in denen er selbst Aufschluß gibt über seine Ziele und Absichten. Sie sind in den Erklärungen, die Metzger zu seiner Verteidigung jeweils schriftlich anfertigte, enthalten. Dabei handelt es sich um zwei "Promemoria"-Schreiben an einen Nazi minister etwa einen Monat nach seiner Inhaftierung 1943, zwei Verteidigungsschriften an den Untersuchungsrichter kurz vor dem Prozeß sowie um eine weitere Rechtfertigung nach dem Todesurteil. Diese Selbstbekenntnisse sind gleichermaßen große Rückblicke auf das gesamte Lebenswerk.

Aus diesen Selbstbekenntnissen spricht die Sehnsucht Metzgers nach Weltoffenheit. Diese war offensichtlich im Klima der Zeit und in der Lage des Katholizismus begründet. Es kann nur vermutet werden, daß Metzger die Situation des Katholizismus in dem weitgehend protestantischen Schopfheim und danach im Deutschland der Jahrhundertwende beengend empfunden hat. Seine Perspektive sollte das Evangelium und das Urchristentum sein. Deshalb sein frühes weltoffenes sozial-ethisches Engagement sowohl in christlich-caritativem Einsatz wie in Fragen der Friedens- und Völkerordnung. Deshalb sodann die Gründung der "Christkönigsgesellschaft", einer Gemeinschaft von Laien, die er einen neuen "Orden der Zukunft" nannte. Er wußte sehr wohl um den Vorwurf des "verstiegenen Idealisten", mit dem man viele seiner Ansätze zunichte machen suchte. Er selbst zeigt viel Selbstbewußtsein und litt wohl auch darunter, daß seine Stärke die prophetische Ahnung kommender Dinge war.

Jedenfalls war Metzger ein unruhiger Geist, der stets nach offenen Horizonten suchte, wo er frei atmen konnte. Diese Einstellung dürfte einigen seiner Zeitgenossen nicht immer ganz geheuer gewesen sein. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, und das sollte eine der sehr bedeutsamen Wegkreuzungen im Leben Metzgers werden, daß ihn der spätere Erzbischof von Freiburg so schon als Jugendlichen kennengelernt hatte. Im vorliegenden Dokumententeil ist eine Reihe von Stellungnahmen des Erzbischofs enthalten. Es mag deshalb nützlich sein, hier auf die frühe Einschätzung Conrad Gröbers zu Metzger einzugehen. Diese Einschätzung hat das Verhältnis beider zeitlebens geprägt. Gerade dem Bischof von Freiburg war Metzger immer als "Idealist" oder "überschwenglicher Wolkensegler" erschienen. Es war im Konradihaus in Konstanz, als Gröber Rektor und Metzger Alumne des Konviktes war. Der Eindruck Metzgers auf Gröber war zwiespältig. Zwei Beurteilungen Metzgers durch den damaligen Rektor Gröber lassen diese Zwiespältigkeit deutlich erkennen. Es sei aus ihnen zitiert, da sie die Einschätzung wiedergeben, die Gröber von Metzger im Konradihaus gewonnen hatte. Nach dem Abitur in Konstanz ging Metzger ins Priesterseminar nach Freiburg. Gröber stellt dabei in einem Zeugnis den Alumnen Metzger folgendermaßen vor:

"Sein Talent ist - auch in Musik - sehr gut, sein Fleiß ziemlich gut, sein religiös sittliches Verhalten im allgemeinen gut, sein ganzer Charakter ist ehrsüchtig, flatterhaft, vorlaut, zu Privatfreundschaften geneigt. Schade um den trefflich veranlagten Mann. Er mag Priesterberufung haben, aber soll er ein guter Priester werden, so bedarf es in Freiburg eines wachsamen Auges, einer festen Hand, die sein hochfahrendes Wesen demütigt. Die eventuell vorgelegte Bitte, an einer anderen Universität als Freiburg studieren zu dürfen, möge vorerst nicht bewilligt werden, bis sich sein Charakter geklärt hat, und er nur Gott im Priestertum sucht, nicht sich selber". Und drei Jahre später heißt es im schriftlichen Bericht nach dem Freiburger Skrutinium: "Soweit wir seinen Lebensgang kennen, hat er stets gesucht, eine führende Rolle zu spielen, was wohl schon auf die Erziehung im Elternhaus zurückgehen dürfte, wo man, von seinen Talenten eingenommen, es an verständiger Zucht fehlen ließ. Die schon vom Gymnasialkonvikt her signalisierten Fehler eines sanguinisch-cholerischen Temperamentes, insbesondere ein gewisses vorlautes Wesen, haben sich im theologischen Konvikt oft genug gezeigt."

Metzger selbst sah sich anders. Wir wissen von einem "Wahlprogramm", das sich Metzger mit etwa 18 Jahren gegeben hatte und das für ihn entscheidend werden sollte. Darin heißt es: "Mein Ziel ist es, mich vollständig zu einem würdigen Priester vorzubereiten und zu erziehen und dadurch, wie in meinem ganzen Leben, den heiligsten Willen Gottes zu tun". Und gegen Ende seines Theologiestudiums spricht er es noch einmal gegenüber einem Priester deutlich aus, wofür er sein Lebenswerk einsetzen wollte: "Mein Ziel ist nicht, ein Gelehrter zu werden, auch nicht - ich glaube, das mit gutem und ehrlichem Gewissen aussprechen zu dürfen - eine ehrenvolle und angenehme Stellung einmal zu erhalten, sondern ein frommer Priester und tüchtiger Seelsorger zu werden und alle Kräfte zur Ehre Gottes entfalten zu können".

Es ist wie ein Widerhall dieses frühen Lebensprogramms, wenn er sich 1943 dem Untersuchungsrichter gegenüber äußert: "Ich muß etwas Persönliches vorausschicken. Ich bin kein Mensch, der in ein Schema gespannt werden kann. Ich bin mit Leib und Seele katholischer Priester. Und ich bin zugleich ein weltoffener Mensch, der von Jugend auf an allem Weltgeschehen leidenschaftlich Anteil nimmt... Ich habe von meinem Vater ein Erbteil mitbekommen, das mir schon manche Schwierigkeiten bereitet hat: Ich kann das Krumme nicht krumm sein lassen...". Metzger weiß um die Spannungen, die in seinem Charakter ruhen; er weiß um den zupackenden Drang in sich und um die Kanten, die er dabei seinen Mitmenschen zumutete. Besonders ehrlich spricht er sein Sendungsbewußtsein einerseits und seine persönlichen Grenzen andererseits gegenüber seiner Christkönigsgesellschaft aus: "Und doch habe ich auf der anderen Seite ein starkes und klares Sendungsbewußtsein. Von früh auf ist es gewachsen, immer klarer, immer stürmischer, das Wissen darum, daß ich eine große Reichgottesaufgabe in der Welt zu erfüllen habe, und zwar gerade in der Richtung meiner konkreten Lebensführung. Ja, dieser Drang und das Wissen darum, daß ich zu einer großen Aufgabe berufen bin, war viel stärker, als ich es nach außen kundgegeben habe - ich schämte mich ja doch im Wissen um meine geistigen und praktischen Beschränktheiten, vor anderen in Erscheinung treten zu lassen, mit was für großen Ideen ich umging, was ich mir zutraute an Möglichkeiten, trotz des klaren Wissens um meine Beschränktheiten. Meine ausgesprochene Eigenart, in der meine Berufung gründet, ist ja das Universale, Weltumspannende. Alles ist mir zu klein, was mir als konkrete Aufgabe gegeben wird... Ich weiß, wie ich schon sagte, wie wenig dieser Pegasus zum Ackergaul taugt, d.h. wie leicht ich versage, wenn man von mir den Einsatz im kleinen, beschränkten Raum verlangt".

Quelle: Uni Augsburg